Was unterscheidet eigentlich Sorge und Angst? Beide Gedanken wohnen in der Zukunft und beschäftigen sich mit Dingen, die nicht existieren, aber in unserer Vorstellung vielleicht stattfinden könnten. Dabei blenden wir in der Regel aus, dass wenn wir uns Sorgen machen, wir uns in der Regel zwei oder Situationen vorstellen. Ausgeblendet bleiben alle hunderte (tausende? unendliche?) Vartiationen und Möglichkeiten, die auch alle eintreten können und die sich unserer Vorstellungskraft entziehen. In Teilen kann das natürlich nützlich sein, nämlich dann wenn es um die Beziehungsgestaltung zu den Menschen geht, die uns Nahe stehen. Ich nehme die Perspektive der Person ein und mache ein mentales Sparring mit der möglichen Zukunft.
Wenn wir uns Sorgen machen, malen wir uns meist ein oder zwei Szenarien aus: Was, wenn es so kommt? oder Was, wenn es so läuft? Was wir dabei übersehen: Es gibt hunderte, tausende, vielleicht sogar unendliche andere Möglichkeiten, die wir gar nicht erfassen können. Die Zukunft ist nicht ein enger Korridor, sondern ein weites Feld voller Wege, die wir im Moment noch nicht sehen.
Angst hingegen verengt. Sie sperrt uns in ein mögliches Schreckensszenario ein, als gäbe es keine Alternativen mehr. Sorge dagegen kann — wenn sie wohl dosiert ist — ein Werkzeug sein: ein mentales Sparring mit der Zukunft. Besonders dann, wenn es um unsere Beziehungen geht. Ich nehme die Perspektive der anderen Person ein, spiele Varianten durch und übe Empathie. Das ist keine lähmende Angst, sondern eine Form von Fürsorge, die Verbindung schafft.
Vielleicht liegt genau hier der feine Unterschied:
- Angst blockiert.
- Sorge verbindet.
Und beide erinnern uns daran, dass die Zukunft noch nicht geschrieben ist.
Wenn ich an meinen Sohn denke, der bald in Kanada zur Schule geht, habe ich kein klares Bild im Kopf. Ich spüre beides: Sorge und Angst.
Die Sorge zeigt sich, wenn ich mir vorstelle, wie er auf dem Eis vielleicht stürzt oder wie er seinen Platz in der Familie, der Schule und im sozialen Gefüge finden. Ich spiele Szenen durch, um vorbereitet zu sein: Was kann ich ihm mitgeben, damit er Zuversicht behält? Welche Worte stärken ihn? Meine Sorge öffnet einen Raum für Fürsorge. Gleichzeitig ist mir klar, dass ich im heute nichts mehr mitgeben kann. Ich kann nur die Hoffnung haben, dass ihn die letzten Jahre gut vorbereitet haben. Hoffnung und Vertrauen sind dabei gute Begleiter.
Die Angst dagegen kommt leiser, aber drängender. Sie malt düstere Bilder: ein Unfall, eine Enttäuschung, Einsamkeit und ich bin weit weg und hilflos. Diese Gedanken fühlen sich real an, dass sie meinen Körper in Alarm versetzen. Angst lähmt.
Dabei wird mir der Unterschied klar. Sorge weitet, Angst verengt. Sorge verbindet mich mit ihm, Angst trennt mich von der Wirklichkeit. Darum versuche ich, die Sorge willkommen zu heißen — als Hinweis darauf, wo mir etwas wichtig ist. Die Sorge fülle ich mit Vertrauen und guten Bildern, die mich bestärken. Die Angst darf da sein, aber sie muss nicht die Regie übernehmen. So bleibt die Zukunft offen, statt sich im Kopf schon zu verdunkeln. 🌱